Lievito Madre
Gute Zeiten für die Katze. Sie teilt sich jetzt die Heizung mit unserem neuen Familienmitglied:
Lievito madre.
Die Heizung bietet zwar nicht mehr soviel Platz wie früher, aber dafür ist sie deutlich wärmer gestellt also sonst, denn das Baby braucht es warm.
Lievito madre bedeutet Mutterhefe und ist ein Natursauerteig, dessen abenteuerliche Geschichte von Claudio auf seinem Blog Anonyme Köche erzählt wird. Da ihm der ganze Verdienst gebührt warum ich jetzt Brot backe, welches viele viele Stunden liebevoller Betreuung braucht und ein Besuch seiner Seite ohnehin lohnt, verweise ich hiermit einfach auf ihn. Er ist gewissermaßen meine Mutterhefe oder in diesem Fall wohl lievito padre.
Eine Woche brauchte die Entwicklung der Hefe aus einem sehr reifen Apfel. Alle Geruchssinne waren gefordert gute Aromen von schlechten zu unterscheiden, und ich sage euch, es gibt nicht viel, was so riecht wie das. Vergoren aber nicht vergammelt, erdig aber nicht dreckig. Ich hatte das Gefühl einem Urgeruch zu begegnen, dem das Wort natursauer seine unverfälschte Ehre erweist.
Als ich es wagte und nach einer Woche schließlich mein erstes Brot damit ansetzte, saß ich nach ich glaube weiteren 16 Stunden endlich vor dem Backofen und war aufgeregt wie ein Teenie vor dem ersten Date. Vielleicht war es sogar noch schlimmer. Es ist wirklich nichts für schwache Nerven.
Das Ergebnis war ein wunderbar duftendes Brot mit einer knusprigen Kruste und weichem luftigem Inneren. Ich wusste vorher nicht, dass ich jemals so stolz auf Löcher sein könnte, aber so ein Brot ist tatsächlich da besonders interessant, wo kein Brot ist. Da hat die Mutterhefe geblubbert und gearbeitet.
Inzwischen bin ich bei meinem vierten Brot und alle sind irgendwie anders geworden. Jetzt wird experimentiert. Irgendwo im Hinterkopf dämmert mir, dass das Ganze ein Süchtigmacher ist.
Von Brot Nummer zwei und drei gibt es keine Fotos, weil sie zu schnell von Gästen aufgegessen wurden. Ja, … und als der Wochenendbesuch abreiste, ist ein Glas Lievito Madre Richtung Stuttgart mitgefahren.
Nachtrag vom 6. Februar 2017:
Mittlerweile ist das Brotbacken fester Bestandteil unseres Alltags. Alle möglichen Mehle werden in den Teig reingepackt und irgendwie kommt immer ein leckeres, sehr krustiges Brot dabei heraus. Der Teig wird schwerer mit Dinkelmehl und mit Vollkornmehl erhält man ein tolles Bauernbrot. Mit der Wassermenge bin ich inzwischen vorsichtiger und gebe sie, nachdem der Vorteig gegangen ist und alles zum ersten mal geknetet wird, nur nach und nach dazu. So langsam haben meine Hände ein Gefühl für die Griffigkeit des Teiges. Das Ankicken des Lievito Madre mache ich über Nacht. Weil sich der weitere Prozess am nächsten Tag dann über eine Weile hin zieht, werden jetzt die Kinder angelernt auch mal zu dehnen und zu falten. Das geht schon ganz gut. Wir essen das Brot eben alle gerne und backen es gemeinsam.
Nachtrag vom Oktober 2017:
Nachdem mir mein erster Sauerteig wegen grober Vernachlässigung dann doch kaputt gegangen ist, habe ich einen neuen Versuch gestartet. Wir haben im Spätsommer Wein angesetzt unter anderem aus Brombeeren. Weil die Maische so schön alkoholisch roch und ich in Trauer um den Sauerteig war, dachte ich mir, damit müsste es doch eigentlich auch gehen. In Anlehnung an die wunderbare Beschreibung von Claudio in seinem Blog Anonyme Köche habe ich daraus einen Sauerteigansatz gemacht. Siehe da. Es funktionierte super. Die Ergebnisse seht ihr hier.
Liebe Katrin,
Herzlichen Dank, dass Du Dich mit meinem LM-Problem auseinandergesetzt hast. Den baldigen Urlaub vor Augen, hatte ich mir nun vorgenommen, nach der Rückkehr wieder von vorne zu beginnen mit einem neuen Ansatz. Ich wähnte mich also auf der sicheren Seite, als ich mir sagte, es könne ja eh nichts mehr schief gehen, wenn ich zu experimentieren anfange. So unterzog ich meinen LM einem Stresstest, indem ich ihn zweimal einen ganzen Tag lang in der Küche stehen liess, fütterte und nur nachts in den Kühlschrank stellte. Und siehe da, der Scheintote ist wieder zum Leben erweckt worden, aktiver als je zuvor (sicherheitshalber habe ich von allem Anfang an immer eine Sicherheitskopie hergestellt – beide haben sich jeweils identisch entwickelt).
Mein heute gebackener Zopf ist aufgegangen wie noch keiner seiner Vorgänger und er schmeckt einfach göttlich!!
(Danke für den Link zum „Plötzblog“. Ich hatte ihn vor ca. 2 Monaten abonniert)
Mit lieben Grüssen Madeleine
Liebe Madeleine, vielen Dank für deine so wunderbar unterhaltsam geschriebene Fortsetzungsgeschichte deines Lievito Madre. Das macht Mut, sich einfach auf die kleinen Microorganismen zu verlassen und sie nicht zu früh abzuschreiben. Wusstest du, dass es in Kanada wohl einen Sauerteig gibt, der ursprünglich aus dem 17. Jahrhundert kommt? Wer weiss, wie lange deiner durchhält? Ich freue mich mit dir über deine schönen Brote und alle Zukünftigen :)
Ich habe am 1.1.2019 nach Claudios Rezept (aus seinem Buch „a casa“) einen Lievito Madre angesetzt und bis vor einer Woche die wunderbarsten Brote (im Bräter) und Zöpfe gebacken. Nachdem mein Mann und ich durch diese Delikatessen richtiggehend „angefixt“ worden sind und wir eigentlich überhaupt absolut keine Lust mehr auf anderes Brot haben, macht mein Sauerteig plötzlich schlapp! Die letzten beiden Brote und Zöpfe haben die Konsistenz von Pflastersteinen!! Ich bin der Meinung, an meiner Vorgehensweise nichts geändert zu haben. Muss ich nun mit dem ganzen Prozedere wieder von vorne anfangen oder gibt es noch irgend eine Rettungsaktion?
Mit freundlichen Grüssen
Madeleine
Liebe Madeleine,
zunächst bitte ich um Entschuldigung, dass ich mit meiner Antwort so lange gebraucht habe. Ich hatte gerade eine Ausstellung und war danach ein bisschen platt. Dein Sauerteigproblem klingt traurig. Aber ich bin leider auch keine Expertin. Bei mir habe ich festgestellt, dass es leichter ist, im Winter die richtige Temparatur für den Ansatz einzuhalten, weil ich den Sauerteig dann einfach auf die Heizung stellen kann. Jetzt ist die Heizperiode vorbei und nirgendwo gibt es einen gleichbleibend warmen Platz in der Wohnung. Meine Brote werden im Winter deshalb besser. Aus Zeitgründen habe ich seit einiger Zeit kein Brot mehr gebacken und weiss nicht, ob mein Ansatz im Kühlschrank noch ok ist. Das wäre ein weiterer Punkt, warum der Sauerteig schlapp macht. Zu wenig gefüttert, eine zu lange Zeit bis zum nächsten Backen. Aber der Sauerteig kann auch zu warm geworden sein beim Gehen und die Mikroorganismen sind abgestorben Es ist ein langer Weg zum erfahrenen Brotbäcker. Ich habe mittlerweile dreimal neuen Sauerteig gemacht. Du kannst auch bei Claudio auf dem Blog Anonyme Köche mal fragen. Hast du schon von Plötzblog gehört? Dieser Blog ist ein Eldorado für Brotbackbegeisterte. http://www.ploetzblog.de Hier findest du sicher auch Hilfe. Ich wünsche dir tolle Brote für die Zukunft. Nicht aufgeben. Liebe Grüße, Katrin
Liebe Katrin, dein Bericht über Livieto Madre ermutigt mich. Hab grad Äpfel geschnitten, um das Apfelwasser zu gewinnen für die Livieto Madre. Wie hast du denn geschafft, konstant 26 grad zu halten? Wird 50 g Wasser und Mehl kontinuierlich ergänzt oder auch etwas entnommen? Ich würde so gerne ein italienisches Osterbrot backen. Bin gespannt, wie sich das Projekt „Brot“ entwickelt! Herzliche Grüße Andrea
Liebe Andrea,
ich hatte meinen Ansatz im Winter angefangen. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, auf der Heizung die Temperatur zu halten. Jetzt im Frühjahr müsste man sich da was anderes ausdenken. Oder ist deine Heizung noch an? Es ist so auf der Schwelle gerade mit der Außentemperatur. Betreuen muss das Sauerteigteigkerlchen in jedem Falle, also warme Stellen „suchen“. Vielleicht muss man warme Sonnenstellen jagen in der Wohnung oder vorsichtig den Ofen erwärmen, wieder ausmachen und den Ansatz eingepackt reinstellen. Probiers einfach. Wenn es mal in Gang kommt, will es auch nicht mehr zurück. Achte auf Schimmel. Wenn es vergoren riecht, ist es aber richtig. Der Mehl- und Wasserzusatz kommt kontinuierlich dazu. Das wird eine gehörige Menge und ein großes Glas ist von Anfang an sinnvoll. Ich habe ein großes Weckglas genommen. Aber erst muss ja mal der Apfel im Wasser liegen. Hoffentlich schaffst du es noch bis Ostern. Der Prozess dauert eine Weile. Auch das Brot backen braucht Zeit, was ja gerade das Tolle ist. Das Mehl schließt sich ganz anders auf, das Brot wird bekömmlicher. Beim Backen selbst fange ich abends an, den Ansatz zu machen, „füttere“ noch mal, bevor ich ins Bett gehe und am nächsten Morgen früh das dritte mal. Dann zieht sich das Weitere über den Tag. Bis heute habe ich etwa 10 Brote gebacken mit meinem Sauerteig. Das war jedes mal anders. Mal ist das Brot ein bisschen sitzen geblieben, schmeckte aber immer noch gut, ein anderes mal war es duftig und locker. Einmal habe ich sogar zwei Brote parallel gebacken, die auch beide sehr unterschiedlich wurden. Es ist also ein sehr lebendiger Prozess und kein Kind ist so wie das andere. Ich wünsche dir viel Glück mit deinem Lievito madre. Wenn es nicht gleich klappt einfach weiter versuchen. Es lohnt sich. Das Brot ist umwerfend und Claudio beschreibt das in seinem Blog einfach super. Ich bin ihm immer noch dankbar dafür. Ach ja, bisher sind die Brote mit dem italienischen Hartweizenmehl immer am Besten geworden.
Bin sehr gerührt, liebe Katrin, und auch ein wenig glücklich. Wie man für jemanden Glück empfinden kann, der eben Zuwachs bekommen hat. Alles Gute!
Lieber Claudio, vielen Dank! Es wird noch so einige Nachkommen geben, hoffentlich. Mein Lievito Madre soll fleißig und fruchtbar sein. Als Nächstes probiere ich andere Mehlsorten aus. Liebe Grüße in die Schweiz, Katrin