Bei meinem zweiten Besuch der Bienenstöcke auf dem Friedhof blühen noch die Kirsch- und Apfelbäume. Es ist der 18. April. Die Bienen sind unterwegs und kommen mit prallen Pollenhöschen zurück. 3 km weit ist der Flugradius einer Biene, für so ein kleines Wesen eine ganze Menge.

Wer den ersten Teil des Bienenberichts noch nicht kennt, kann das hier nachholen: Abenteuer Honigbiene, Teil1: Hier riecht Arbeit nach Honig

Außer Andreas ist heute Linda mit dabei. Wir schauen wieder in alle Beuten. Diesmal geht es darum, den Bienen einen Drohnenrahmen mit in ihr Nest zu geben. Das ist ein leeres Rähmchen ohne Zwischenwand aber mit einer Querleiste in der Mitte. Die Bienen bauen diesen Rahmen selber aus und haben die Tendenz, hier Drohnenbrut anzulegen. Die Drohnen sind die männlichen Bienen, die die Königin begatten aber selbst keinen Honig sammeln oder andere Jobs machen.

Drohnen sind größer als weibliche Bienen und brauchen deshalb auch größere Zellen. Daran lässt sich Drohnenbrut gut erkennen. Auch die Königin erkennt an diesen großen Zellen, dass hier Drohnenbrut hinein soll, denn die entstehen aus unbefruchteten Eiern. Wenn ein Volk schon eine Königin hat, sind die Drohnen eigentlich überflüssig. Warum werden die Bienen mit den leeren Rahmen also zu Drohnenbrut angeregt vom Imker? Die Bienen werden von der irgendwann mal bei uns eingeschleppten Varroamilbe befallen. Diese Milbe schädigt die Bienen und die Brut. Sie vermehrt sich besonders gerne in den Zellen mit der Drohnenbrut. Wenn die Bienen diese Zellen für die Verpuppung verdeckelt haben, sind dort auch die zukünftigen Varroamilben in großer Zahl sozusagen als Varroazeitbombe mit eingeschlossen. Der Imker nimmt diese Drohnenrahmen aber wieder aus dem Nest, bevor die Drohnen geschlüpft sind und hat damit einen großen Teil des Varroabefalls entfernt. Die Drohnenbrut wird vernichtet.

Linda und Andreas sind fast fertig mit der Durchsicht der Beuten. Die Hinterste, die das letzte mal Probleme hatte, sieht diesmal anders aus. Die Bienen haben überall „Buckelbrut“ angelegt, also sehr viele Drohnenzellen.

Da dieses Bienenvolk das letzte mal schon keine Königin hatte, wurde diese Brut von einer Arbeiterin gemacht, die sich ein bisschen selbst zur Königin befördert hat. Die Buckelbrut muss weg und diese Arbeiterin auch. Andreas und Linda tragen die einzelnen Zargen ein gutes Stück weg und fegen die Bienen von den Waben ab. Die Pseudokönigin findet den Weg in das Volk nicht mehr, weil sie durch ihre Arbeit zu träge geworden ist, die anderen Bienen aber kehren in ihr frisch gemachtes Nest zurück. Die Waben sind ausgetauscht und zum Teil mit welchen aus den anderen Völkern ergänzt, in denen frische Brut ist. Die Bienen können die kleinen Larven noch zu Königinnen machen, indem sie ihnen Königinnenfuttersaft geben.

Am 30. April schauen wir wieder vorbei in der kleinen Bienenstadt.

Die letzte Beute wird diesmal in Ruhe gelassen. Andreas kippt nur vorsichtig kurz die Zarge hoch, um mal rein zu blinzeln. Wenn jetzt Weiselzellen da sind, könnten sie abgebrochen werden. Weiselzellen heißen die Zellen, in denen eine Königin entsteht. Sie sehen ganz anders aus, als die üblichen Brutzellen. Sie hängen buckelig und rund leicht schräg an der Wabe, sind groß und gut sichtbar und haben unten eine Öffnung.

In den anderen Magazinen findet das wie ich inzwischen gelernt habe, routinierte Imkerhandwerk statt. Oberen Honigraum abnehmen, Gitter lösen, die Bienen mit den Smoker in ihr Nest treiben und die mittlere Zarge hochkippen. Ein starkes gesundes Volk besteht aus vielen Bienen, reichlich Arbeiterinnenbrut, bestifteten Zellen und Honig- und Pollenvorräten. Andreas sieht nach den Drohnenrahmen und tauscht hier und da etwas aus.

Der Bienenzyklus:

Aus einem Stift schlüpft nach drei Tagen eine Larve, die von den Ammenbienen mit Futtersaft gefüttert wird. Nach 6 Tagen sind aus den kleinen Larven dicke Rundmaden geworden, die die Zelle ganz ausfüllen. Die Ammenbienen machen einen porösen Deckel auf die Zelle und die Made verpuppt sich nun. Nach 12 Tagen schrotet sie ohne fremde Hilfe von innen den Deckel ab und verlässt die Zelle. Die Putzbienen machen die Zelle sauber für die nächste Bestiftung. Alle weiblichen Bienen können grundsätzlich jeden Job machen. Aber sie fangen als Ammenbiene mit der Brutpflege an, werden nach etwa 10 Tagen Baubienen und erst später werden sie Flugbienen und sammeln Nektar und Pollen.

Auf dem unteren Bild ist in der Mitte die Königin zu sehen. Sie ist etwas größer und länglich.

Das Wetter wird noch einmal ziemlich kühl. Aber die Obstblüte ist vorbei und ich freue mich über kleine Babyäpfel an meinem Apfelbaum. Die Bienen fliegen nicht bei kaltem und regnerischem Wetter. Schließlich gibt es aber doch wieder eine weitere Durchsicht zwei Wochen später. Wir haben jetzt den 13. Mai. Diesmal ist Linda wieder dabei.

Dieses hier ist eine schon gut gefüllte Honigwabe.

Die Drohnenrahmen sind fleißig ausgebaut und verdeckelt. Der perfekte Zeitpunkt, um sie herauszunehmen und wieder einen neuen leeren Rahmen einzusetzen.

Hier und da entdecken wir Spielnäpfchen. Die sehen aus wie Weiselzellen, also größer und irgendwie etwas knubbelig und unförmig irgendwo mit dran geklebt. Auch sie haben unten eine Öffnung. An den Spielnäpfchen können Imker erkennen, dass das Volk gerne eine weitere Königin hätte. Sie sind in Schwarmstimmung und wollen sich teilen. Die alte Königin verlässt dann mit einem Teil des Volkes, meistens erfahrenen Sammlerbienen, das Nest um irgendwo ein neues Volk zu gründen. In den Weiselzellen schlüpfen neue junge Königinnen, von denen eine übrig bleibt, denn die erste macht ihre Schwestern kalt, – wozu hat sie sonst den Stachel.

In der Imkerei versucht man, den Schwarmtrieb zu unterdrücken, denn das zurückbleibende Volk wird schlagartig mehr als halbiert. Es bestünde die Gefahr, dass es sich bis zum Winter nicht ausreichend erholt und die Honigausbeute ist auch mau. Hier greift der Imker also wieder in den natürlichen Ablauf ein. Die Spielnäpfchen werden entfernt. Aus die Maus.

Unsere Problembeute hinten in der schattigen Ecke sieht erschreckend aus. Beim Hochkippen der Zarge sind kaum Bienen zu sehen. Die, die da sind, sehen träge und krank aus. Es liegen viele tote Bienen herum. Linda vermutet, dass sie verhungert sind. Vielleicht wurde das geschwächte Volk von den anderen Bienen ausgeräubert. Bienen bewachen eigentlich ihr Flugloch und schützen ihr Volk vor fremden Eindringlingen. Aber wenn es derart geschwächt ist, wie dieses Volk, klappt das nicht mehr. Wir hätten beim letzten mal das Flugloch mit einem Gitter verkleinern sollen. Die Wächterbienen hätten dann ihr Volk leichter verteidigen können. Aber es hat leider keiner daran gedacht. Andreas findet, dass das Volk aufgelöst werden sollte. Linda will ihnen noch eine Chance geben. Nach einigen Überlegungen werden Waben, die voller Honig sind aus den anderen Bienenstöcken in das geschwächte Volk eingehängt. Linda meint, wenn sie sich jetzt noch mal den Bauch voll schlagen, können die Bienen sich wenigstens soweit erholen, dass sie eine Chance haben bei einem anderen Volk aufgenommen zu werden. Außerdem bekommen sie jetzt das Verkleinerungsgitter vor das Flugloch. Der Anblick von einem halbtoten Bienenvolk ist sehr traurig. Ich hätte nicht gedacht, wie sehr.

Wie aller Umgang mit Lebendigem ist auch in der Imkerei viel Intuition und Erfahrung nötig. Ich begreife noch nicht so viel von dem, was da vor sich geht. Aber das komplexe Gebilde von einem Bienenwesen ist sehr faszinierend. An der letzten Beute sehe ich, wie schnell die Lebensbedingungen für die Bienen nicht mehr stimmen können.

Fortsetzung folgt…