Ein Sonntagmorgen im Oktober in Offenbach-Bürgel. Die Maschine wartet geduldig im eigens für ihre Arbeit gebauten Häuschen auf dem Gelände der Gärtnerei Lang. Sie hat schon viele Jahre auf dem Buckel und kommt mir vor wie ein treues Pferd. Es ist ein schöner, sonniger Herbsttag und die Weißkohlköpfe erwarten ihr Schicksal.
Ulrike Lang bekommt heute Hilfe von Dirk Schneck, seines Zeichens Küchenchef und Mitinitiator vom Sterne-Kochclub Deutschland, der in Offenbach Kurse für allerlei Kochfertigkeiten gibt. Er trimmt den Kohl zurecht und weil das eine ganze Menge Köpfe sind, gehe ich eine Runde spazieren und besuche die Orte, die vor kurzem noch so üppig bewachsen waren.
Das Anzuchthäuschen sieht sehr aufgeräumt aus. Für das nächste Jahr soll hier eine bessere Heizung rein, denn die Arbeit beginnt früh im Jahr, wenn es noch kalt ist.
So sah es hier im Mai aus.
Im Kräuterhaus findet immer noch die Runde von Einsaat und Ernte der Kräuter und Pflücksalate statt. Aber im Auberginen- und Gurkenhaus ist bis auf die Peperoni alles abgeräumt. Im Tomatenhaus ist auch schon frische Erde für das nächste Jahr.
Im freien Gelände wachsen Kräuter für das nächste Frühjahr in mit Bretterwänden eingefassten Beeten. So können sie bei Kälte abgedeckt werden.
Ich genieße den schönen Tag aber Ulrike lässt die strahlende Oktobersonne nur müde seufzen. Das Jahr war viel zu trocken und auch der Herbst bringt nicht genug Regen.
Es muss immer noch gegossen werden und der Kohl glitzert in den tiefstehenden Sonnenstrahlen.
Brokkoli
Grünkohl
Die Raspelmaschine rattert jetzt. Sie hat eine Scheibe mit drei Messern in ihrem Bauch, die sich dreht und den Kohl in feine Streifen schneidet.
Ulrike macht in diesem Jahr schon zum zweiten mal Sauerkraut. Wie gut alles gelingt hängt von vielen Faktoren ab, – der Temperatur, der Qualität des Kohls, der Salzmenge und wahrscheinlich auch der liebevollen Zuwendung. Das Fermentieren von Lebensmitteln ist eine uralte Kulturtechnik die früher in Zeiten ohne Kühlschrank überlebenswichtig war. Milchsäurebakterien zersetzen Teile der Pflanzen und sind verantwortlich für die Säure. Wir sind von vielen fermentierten Lebensmitteln umgeben, ohne dass uns das immer so klar ist: Wein, Bier, Käse, Joghurt, Brot und noch so einiges.
Das geraspelte Kraut wird zwischendurch immer wieder mit einem Schwung Salz versorgt. Ulrike scheint das alles nach Gefühl zu machen, aber die Salzpäckchen stehen ordentlich aufgereiht an der Seite. Sie hat ausgerechnet, wie viel sie braucht.
Ulrike stellt sich schließlich mit Gummistiefeln in den Tontopf und stampft eine dünne Lage Kraut. Dirk Schneck legt nach und ab und zu rieseln von oben noch ein paar Wacholderbeeren hinterher. Ulrike stampft wie der Frosch in der Milch, der das solange tut, bis das entstandene Butterklümpchen ihn rettet und er ins Freie hüpfen kann. Im zukünftigen Sauerkraut entsteht durch Stampfen und Salz Wasser und Schaum. Der Tontopf füllt sich unter Ulrikes Füssen.
Ulrike sammelt die Sauerkrauttontöpfe schon seit über 20 Jahren. Manche älteren Leute haben noch welche im Keller stehen. Früher hat man in vielen Haushalten Sauerkraut selber hergestellt und auch anderes Gemüse eingelegt. Schade, dass das heute kaum noch jemand macht. Das Wissen, wie es funktioniert, verschwindet. In letzter Zeit kommt aber wieder Interesse daran auf. In den USA gibt es regelrechte Fermentierungsgurus. Viele erforschen das Gebiet neu und wer Lust hat, sich damit zu beschäftigen findet in „Die Kunst des Fermentierens“ von Sandor Ellix Katz einen profunden Wissensschatz. Auch die japanische Küche, die viele immer mehr für sich entdecken, hat mit wesentlichen Zutaten wie Miso und Sojasoße fermentierte Würzmittel im Grundprogramm.
Der erste Topf ist fertig und beherbergt jetzt etwa 75 kg Kraut. Im Laufe des Gärprozesses in den nächsten 4 – 6 Wochen „verschwindet“ ein Drittel davon irgendwohin. Während die Milchsäurebakterien fleißig ihre Arbeit machen, muss in der Zeit noch ein paar mal der obere Bereich des Ansatzes gereinigt werden.
Die zweite Runde beginnt. Insgesamt machen Ulrike und Dirk an diesem Tag zwei und einen halben Tontopf voll. Es ist nicht wirklich zum Geld verdienen, sagt Ulrike, eher ein Hobby.
Die Steine dienen dazu, den Deckel über dem Kraut zu beschweren. Damit keine „falschen“ Organismen ins Kraut gelangen, werden sie vorher sorgfältig gereinigt.
Das gestampfte Kraut wird mit großen Weißkohlblättern abgedeckt.
Dann kommt ein blitzesauberes Tuch drauf…
…und zum Schluss ein Deckel und Steine zum Beschweren.
Dann steht das Messer still und es bleibt nur noch das Aufräumen.
6 Wochen später, ungefähr so lange, wie auch dieser Bericht gereift ist, gibt es das fertige Sauerkraut am Stand der Langs zu kaufen. Bis Weihnachten möchte Ulrike gerne alles verkauft haben, denn im neuen Jahr ist erstmal Winterpause. Im März kommen die Langs mit ihrem Stand wieder auf den Markt, – dann mit frischen Kräutern. Ich werde noch mal schnell Sauerkraut einkaufen, bevor alles weg ist…..und auf dem Flohmarkt die Augen aufhalten nach großen Tontöpfen.
Die anderen Berichte über die Gärtnerei Lang findet ihr hier:
Bevor es auf den Teller kommt, muss es erstmal wachsen
Über Hummeln und andere Helfer
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