Über das Kraut

Ein Sonntagmorgen im Oktober in Offenbach-Bürgel. Die Maschine wartet geduldig im eigens für ihre Arbeit gebauten Häuschen auf dem Gelände der Gärtnerei Lang. Sie hat schon viele Jahre auf dem Buckel und kommt mir vor wie ein treues Pferd. Es ist ein schöner, sonniger Herbsttag und die Weißkohlköpfe erwarten ihr Schicksal.

Weißkohl
Weißkohl schneiden

Ulrike Lang bekommt heute Hilfe von Dirk Schneck, seines Zeichens Küchenchef und Mitinitiator vom Sterne-Kochclub Deutschland, der in Offenbach Kurse für allerlei Kochfertigkeiten gibt. Er trimmt den Kohl zurecht und weil das eine ganze Menge Köpfe sind, gehe ich eine Runde spazieren und besuche die Orte, die vor kurzem noch so üppig bewachsen waren. (mehr …)

Von |2020-02-04T19:09:17+01:00Donnerstag, Dezember 13, 2018|Geschichten vom Essen|0 Kommentare

Trauer im Gurkenhaus

Anfang September ist ein Teil der schönen alten Hecke abgebrannt. Als Ulrike und Joachim von der Polizei aus dem Schlaf geweckt wurden, brannte es schon lichterloh. Die Feuerwehr hatte gerade noch verhindern können, dass das Feuer auf das Gewächshaus neben der Hecke übergriff. Jetzt ragen die verkohlten Äste in den Himmel und sehen aus, als flehten sie um Erbarmen. Der mörderisch heiße Sommer, der Kampf gegen das Austrocknen der Felder und Pflanzen, jetzt die jammernde Hecke mit ihrer tiefen Wunde…das alles hat den Langs reichlich zugesetzt.

Das üppige grüne Wachstum in den Gewächshäuser neigt sich dem Ende zu. Doch das ist Teil des bekannten Zyklus‘.

Wer die ersten drei Berichte über die Gärtnerei Lang noch nicht kennt und die Hecke gesund und intakt sehen will, kann das hier nachholen:

  1. Bevor es auf den Teller kommt, muss es erstmal wachsen
  2. Über Hummeln und andere Helfer
  3. Im Dschungel – in der Dürre
verbrannte Zweige der Hecke
die verbrannte Hecke
Felder mit Kohl und verbrannter Hecke

Die Felder neben dem Brand haben es ganz gut überstanden. Der Grünkohl sieht zwei Wochen später propper und gesund aus. Übrigens: die überlieferte Gepflogenheit, Grünkohl erst nach dem ersten Frost zu ernten ist mittlerweile überholt. Ursprünglich sollte damit ein erhöhter Zuckeranteil im Kohl erreicht werden. Die Sorten sind aber inzwischen so gezüchtet, dass der Kohl auch schon vor dem Frost geerntet werden kann.

Gruenkohlblatt im Freiland
Freilandfelder mit Kräutern im September
Freiland mit Gewächshaus im September

Anfang September ist es immer noch sehr heiß und die Pflanzen müssen ausdauernd bewässert werden. Die Felder sind voll mit Kohl, Salat und Freilandkräutern.

Erntehocker und Mangold
Salat im Freiland
Radicchio
Zuckerhut
Zuckerhut

Ich wundere mich immer wieder darüber, wie schön Salat aussehen kann. Diese Pflanze hier nennt sich Zuckerhut und kann als Salat und als Gemüse verwendete werden. Die Bitterstoffe werden gemildert, indem er in lauwarmem Wasser gewaschen wird. Er ist winterhart und damit ab Oktober ein guter Ersatz für die Salat- und Gemüsesorten, die es dann nicht mehr schaffen. Die Pflänzchen auf den Fotos sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht erntereif – aber bald.

Salbei

Salbei

Bohnenkraut mit Biene

Bohnenkraut mit Biene

Kapuzinerkresse mit roten Blüten

Kapuzinerkresse

Kurzer Besuch im Auberginenhaus…

Auberginenhaus
Schwarze Auberginen im Gewächshaus

… und weiter zu den geliebten Tomaten.

Tomatenhaus
Tomatenrispen
Im Tomatenhaus zwischen den Pflanzen
Tomatenrispe
halbreife Tomate

Ulrike erklärt mir, dass Rispen mit komplett roten Tomaten, die es überall zu kaufen gibt, eigentlich künstlich sind. Die Rispen werden abgeschnitten und die Tomaten reifen nach, so dass alle gleichmäßig rot sind. Normalerweise reift die Rispe Frucht für Frucht langsam durch.

Es riecht wunderbar nach Tomaten hier im Tomatenhaus. Der Geruch stammt aber gar nicht von den Tomatenfrüchten selbst, sondern von den grünen Pflanzenteilen, den Blättern und Stilen. Beim Ernten sind nach einiger Zeit die Hände voll mit den kleinen Häarchen, die auf den Pflanzen sind. Nicht nur grüner Daumen, sondern grüne Hände eben.

Tomatenfinger
Eimer mit Tomaten
Tomatenkisten auf dem Wagen

Doch nach all der Aufmerksamkeit für die prächtigen Tomaten tauchen hinter dunkelgrünen Blättern noch ganz andere Schönheiten auf. Diese leuchtenden orangen und roten Pepperonis sind die absoluten Stars. Wer sich über diesen Anblick nicht freuen kann, hat kein Herz.

gelbe Pepperoni am Busch
gelbe Pepperoni am Busch
gelbe Pepperoni am Busch
rote Pepperoni am Busch
Poblano

Dieses sind Poblanos, dunkelgrüne, fast schwarze Chilis mit mittlerem Schärfegrad.

Freiland mit Süßkartoffelpflanzen
Süßkartoffelfeld

Die Felder hinter den Nebengewächshäusern ein paar Schritte vom Hauptgelände entfernt sind mit dichtem Grün bewachsen. Was mal als kleines, niedliches Süßkartoffelpflänzchen angefangen hat, mit großem Abstand zur Nachbarpflanze, ist jetzt ein dichter, wuchernder Teppich geworden. Ulrike und Joachim mühen sich ab, die reifen Süßkartoffeln aus dem trockenen Boden zu buddeln.

Süßkartoffelernte
Süßkartoffelernte

Weiter hinten brüten dicke Kürbisse unter großen schattenspendenden Blättern vor sich hin. Die Blätter sind zum Teil schon welk und die Pflanze hat ihre ganze Kraft in diese Riesenbabies gesteckt.

Hokkaidokürbisse unter Blättern
drei Muskatkürbisse
schwarzer Kürbis
Kürbisse im Feld
Muskatkürbisse unter Blättern
Kürbis und Karre

Große –

Muskatkürbisnase
gelber Patisson

– und kleine Kürbisse

Kürbisse ernten
Hokkaido ernten
Kürbisse in Kisten
Gurkenhaus mit welken Pflanzen

Mitte September bietet sich im Gurkenhaus ein Bild des Jammers. Alles ist verwelkt und abgestorben. Die Pflanzen sind aus dem Boden gezogen, weil sie sich dann leichter abräumen lassen, wenn sie nur noch so schlaff in den Seilen hängen. Vorbei die üppige Gurkenpracht.

welke Gurkenpflanzen
welke Gurkenpflanzen
welke Gurkenpflanzen
vergessene Gurke

Nebenan geht das Leben weiter. Im Kräuterhaus wird ständig geerntet und neu eingesät. Joachim schneidet Borretsch.

Kräutergewächshaus
Borretsch ernten

Auf den Feldern beginnen die Wintervorbereitungen. Die Pimpinelle ist gesetzt für das Frühjahr. Daneben wächst Spinat. Die Pflanzungen werden mit Brettern eingefasst, damit sie später abgedeckt werden können. Der Pimpinelle geht es draußen unter Glas besser als im Gewächshaus, wo sie zu weich wird. Pünklich zu Ostern wird sie auf dem Markt sein.

Freiland im September
Pimpinellebeet
junge Pimpinelle
junger Fenchel

Junger Fenchel

Fenchelfeld
Komposterde in Schubkarre schaufeln

Der riesige Komposterdhaufen im Hof duftet nach zukünftigem Wurzelfutter für die Pflanzen. Der Boden in den Gewächshäusern wird fit gemacht für die nächste Runde.

grüne Saatmaschine

Ulrike zeigt mir ihren Fuhrpark von Sämaschinen, alle ohne Motor, weshalb mich der Begriff Maschine etwas irritiert. Bisher hatte ich nicht die leiseste Idee, wie die Pflänzchen so schön ordentlich in die Erde kommen und bin sehr fasziniert von den ausgeklügelten Systemen. Saatgröße, Reihenabstand, Saatabstand. War ja klar, dass die Samen nicht mehr einfach so auf den Acker gestreut werden.

Saatmaschinen
Handsäaer

Das ist die Kleinste von allen.

grosse Saatmaschine

Und das die Größte. Die Zahnräder können gewechselt und damit Abstände eingestellt werden. Die Tabelle hilft.

Zahnradtabelle
Saattrichter

Die Samen rutschen in dem Trichter in die kleinen Vertiefungen, immer einer pro Grübchen. Damit die stimmen, können auch die Rollen mit den Grübchen ausgetauscht werden

Saatgroessenrollen
Spuren im Acker
Arbeit mit Saeamaschine
Fussabdruecke im Acker

Für dieses Jahr wurde jetzt zum letzten mal eingesät.

Säaen

Nebenan geht es weiter mit der Ernte der Stangenbohnen. Joachim erklärt, man müsse sich um die Pflanze drumherum wühlen. Es dauert lange, bis die Erntekiste voll wird. Der Bohnenanbau ist sehr anstrengend und die beiden überlegen sich, ob sie im nächsten Jahr darauf verzichten.

Stangenbohnen ernten
Stangenbohnen ernten
Bohnen in der Kiste

Stangenbohnen müssen mit beiden Händen geerntet werden, damit der Stilansatz an der Bohne bleibt und kleine, unreife Bohnen nicht mit abgerissen werden.

Stangenbohnen ernten
Bohnen ernten

Die runde Sorte nennt Joachim Speckbohne.

Stangenbohne
Bohnenvergleich
Stangenbohnen ernten
Bohnen ernten

Wenn schon große Kerne in der Schote sind, sind die Bohnen bereits zu reif und kommen weg. Es gibt viel Ausschuss, sagt Ulrike.

das Innere der Bohnen

Bevor ich gehe, darf ich noch einen Blick in eine kleines Häuschen werfen und da starrt mich diese Maschine an. Und das ist jetzt wirklich eine Maschine! Was es mit dieser Madame auf sich hat, die da so selbstbewusst und breitbeinig steht, erfahrt ihr im nächsten Bericht.

Häckselmaschine

Und hier gehts zum nächsten Bericht: Über das Kraut

Von |2020-02-03T14:49:54+01:00Montag, Oktober 29, 2018|Geschichten vom Essen|0 Kommentare

Im Dschungel – in der Dürre

Im Dschungel….

Dschungel Gurken

und in der Dürre…

auf Unterpfluegmaschine

Es ist Ende Juni. Während Ulrike im Dschungel der Gewächshäuser zwischen Gurken, Tomaten und Paprika verschwindet, betrachtet Joachim das unter sengender Sonne liegende Erbsenfeld hinter den Stangenbohnen.

Wer die ersten beiden Berichte noch nicht gelesen hat, kann das hier tun:

Bevor es auf den Teller kommt, muss es erstmal wachsen

Über Hummeln und andere Helfer

Gurkenhausgang
Gurken
Gurkenerntewagen

Im Gurkenhaus herrscht hemmungsloses Wachstum. Um an die oberen Früchte zu kommen, haben sich die Langs irgendwann einen Pflückwagen gekauft. Vorher musste mühsam mit Leitern geerntet werden.

Erbsen unterpfluegen
Erbsenfeld

Wir lieben Erbsen. Seit meine Kinder wissen, wie sie frisch schmecken, wollen sie keine anderen mehr. Aber es war ein kurzes Vergnügen dieses Jahr. Die Hitzewelle hat die Erbsensaison auf zwei Wochen verkürzt und schon jetzt wird das Feld untergepflügt.

Unterpfluegen der Erbsenpflanzen
Buschbohnenblueten
gelbe Buschbohnen

Neben dem verschwundenen Erbsenfeld wachsen gelbe und grüne Buschbohnen. Die Ernte ist in diesem wirren Durcheinanderwachsen zeitaufwendige Handarbeit.

Buschbohnen

Das Basilikum drückt sich an den Gewächshausscheiben die Blätter platt. Es ist Untermieter bei den Gurken.

Basilikum an der Scheibe
Basilikum

Die Tomaten beginnen super-pünklich zu reifen Ende Juni. Ulrike sagt, das sei immer sehr genau.

Gang Tomatengewaechshaus

Die Pflanzen fühlen sich trotz der Hitze wohl und wachsen üppig. Sie müssen immer noch ausgegeizt werden und das dauert schon mal drei Stunden.

Tomatengewächshaus

Wenn die Tomatenpflanze zu groß wird, wird der oberste Trieb geköpft und die Kraft geht in die Früchte.

Tomatenblueten
Tomatenunderground
Ulrike in den Tomaten

Auch bei den Paprikapflanzen wird hemmungslos Chlorophyll und Biomasse produziert. Die Früchte hängen prall und glänzend zwischen den Stauden. Sie sehen aus, als seien sie lackiert.

lange Paprika

Pinoccio heißt diese wunderschöne Paprikasorte.

Paprika

Wie Laternen leuchtet das Orange zwischen den großen Blättern durch.

Jumbopaprika
Jumbopaprika

Jumbopaprika

Pepperoni
Paprikagewaechshaus

Die Langs sind bekannt für ihre Chilisorten. Beim Stichwort Schärfe weiten sich bei vielen die Augen und manche behaupten, es könne ihnen nicht scharf genug sein und sie tun gerne alles mit einer wegwischenden Handbewegung als harmlos ab. Ich empfehle in so einem Fall das Chilipulver der getrockneten Lang-Chilis. Dann ist erstmal Ruhe.

Mais

Die Maispflanzen kämpfen ums Überleben in der Hitze. Dieser Sommer fordert alle Kräfte. Wochenlang fällt kein Regen, die Temperaturen sind mörderisch im Feld und jeden Tag muss gesprengt werden. Das ist zusätzliche Arbeit. Ulrike sagt, die Hitzewelle lässt sich in ihrer kleinen Gärtnerei besser abfangen als in großen Betrieben, die riesige Flächen bewirtschaften. Bis zum Horizont reichen dort die vertrockneten Maisfelder. Die Langs können auf kleinen Flächen neue Sorten ausprobiert oder die Süßkartoffel, die warme Nächte braucht, etablieren. Auf jeden Fall gibt es eine Veränderung im Klima, sagt Ulrike, und eine Anpassung sei unbedingt notwendig.

Immerhin fährt Joachim einen Ferrari…

Unterpfluegen
Bohnenkraut
Bohnenkraut

Bohnenkraut…

Zwiebeln

…und Zwiebelchaos.

Zwiebelbeetchaos
Stachelaubergine

Trotz Arbeit von früh bis Sonnenuntergang findet Ulrike noch Zeit für „Hobbies“….

das Gärtnern nämlich.

Dieser Schützling hier ist eine exotische Auberginenpflanze mit besonders eindrucksvollen Stacheln.

Stachelaubergine

Das Auberginenhaus aber ist von den verschiedenen Sorten bevölkert, die wir vom Markt kennen.

Auberginenhaus
Auberginenblueten
schwarze Auberginen

Welche Frucht fühlt sich so schön an wie eine reife Aubergine?

gestreifte Auberginen

Nebenan sind inzwischen die Zucchini und Pattissonkürbisse zu eindrucksvollen Stauden herangewachsen. Die Sonne brennt gnadenlos auf die trockene und aufgerissene Erde. Überall liegen Schläuche zwischen den Pflanzen.

Zucchinifeld
Zuccinistaude
Zucchinibluete und Staude

Zucchinipflanzen mit leuchtend gelben Blüten.

Kuerbisfeld

Kürbisunderground

Kuerbisfeld underground
Kuerbisbluete underground
junger Kuerbis

Meine Kamera kocht in der Hitze und mein Kopf mittlerweile auch. Hier jeden Tag im Feld zu stehen ist Knochenarbeit.

Zweimal in der Woche sind die Langs mit einem Stand auf dem Offenbacher Wochenmarkt. Das letzte mal habe ich in der Gärtnerei morgens um vier das Gurkenernten fotografiert. Diesmal bin ich um viertel vor fünf auf dem Markt. Es ist Mitte Juli und auf dem Marktplatz huschen die Marktleute schweigend mit riesigen Schirmen und Kisten durcheinander. Ganz zart beginnt am Himmel die erste Dämmerung.

Marktaufbau
Wochenmarkt
Marktaufbau
Wochenmarkt
Wochenmarkt
Wochenmarkt
Wochenmarkt

Auch die Pilze vom Offenbacher Pilzezüchter Mathias Kroll haben die Langs im Verkauf. Aber die Pilze sind eine andere Geschichte…

Wochenmarkt

Die ersten Kunden kommen schon sehr früh – Stammkunden, die schon erwartet werden und für die manchmal etwas bereit liegt.

Wochenmarkt
Wochenmarkt
Wochenmarkt
Wochemarkt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt

Wie lässt sich der Geschmack beschreiben von diesen süß-säuerlichen kleinen Tomaten, die so viele Aromastoffe in einer Frucht haben, als wären sie ein Konzentrat? Tomatenball in den Mund, gut zumachen und explodieren lassen, – glücklich danach.

Ulrike strahlt mich an und sagt:“Wir haben gerade eine Tomatenschwemme.“

Markt
Markt

Zucchiniblüten

Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt

Manche Gemüse werden dazu gekauft, damit das Sortiment komplett ist, wie diese Karotten zum Beispiel. Auch Radieschen haben keine Saison mehr in den Gewächshäusern in Bürgel.

Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt
Markt

Es ist jetzt halb sieben und endlich ist alles fertig aufgebaut. Zeit für einen Kaffee.

Auf dem Markt herrscht lebendiges Treiben und die Kunden stehen bereits am Stand.

Markt
Von |2020-02-03T14:47:18+01:00Montag, September 3, 2018|Geschichten vom Essen|4 Kommentare
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